Wenn Bilder unter Geschmacksverirrung der Fotografin leiden
Ich erinnere mich gut, als ich meine Fotos aus dem Schwarzwald bearbeitete. Die Rötenbachschluchthütte, tief im finsteren Walde. Ein Drehort für einen Hänsel-und-Gretel-Krimi. Oder Rotkäppchen? Egal. Der Dietfurter Wasserfall in der Wutachschlucht, ein Wasservorhang, der aus dem Moos läuft. So stellt man sich das Auenland vor.
Damals war ich in der Ich-ziehe-den-Temperaturregler-schön-weit-nach-rechts-Phase, zumindest bei den Waldfotos. Damit dort alles so schön freundlich und irgendwie warm und sonnig aussieht. Also nicht so finster. Wie schön ich meine Bilder fand, wie gelungen meine Bearbeitung!
Oder das Foto vom Windgfällweiher, einem bezaubernden See im Schwarzwald. Welch schöne Abendstimmung! Ich hatte einen Graufilter aufs Objektiv geschraubt und eine Langzeitbelichtung gemacht, mit ziehenden Wolken am Himmel. Echte Kunst! Der Graufilter ist leider nicht so ganz farbneutral, und obwohl ich auch Fotos ohne Graufilter hatte, die doch etwas anders aussahen, gefiel es mir wirklich gut. Zunächst.
Ja, und so stellte ich die Fotos bei meiner Agentur zum Verkauf ein, und sie wurden auch angenommen. Doch einige Zeit später, aus irgendeinem Grund, schaute ich sie noch einmal genauer an und dachte: Hm.
Das See-Foto war das erste. Ich glaube, ich wollte es nochmal irgendwohin schicken. Ich schaute es an, schaute die anderen vom gleichen Abend an und dachte: Hm hm. Irgendwie sieht das so grün aus.
Obwohl ich es so bei meiner Agentur hochgeladen hatte. Auch von meinen Fotoclubkollegen hatte keiner gemeckert. Ich hatte es bei unserer Fotoclub-Ausstellung präsentiert. Ich hatte es sogar zum Blende-Fotowettbewerb eingeschickt, und in der lokalen Ausscheidung kam es in der Kategorie Landschaft immerhin auf Platz 5. Bundesweit ward es jedoch nicht mehr gesehen.
Ich prüfte das Foto noch einmal in Lightroom und schob den Temperaturregler und den Tönungsregler ein wenig nach rechts – und schon sah das Bild gänzlich anders aus. Viel natürlicher. Ich war leicht entsetzt, was ich da hochgeladen und herumgeschickt hatte.
Nach einer kleinen Nachbearbeitung habe ich das Foto erneut bei meiner Agentur hochgeladen. Leider hat es bis jetzt noch niemand gefunden, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf.
Kommen wir zur Hänsel-und-Gretel-Hütte und dem Auenland-Wasserfall. Es war, als ich meine Webseite erstellte und Fotos auswählte, die ich einstellen wollte. An sich fand ich die Bilder ja schön, aber… irgendwie so gelbgrün. So unnatürlich. Im Grunde genommen fand ich meine damalige Bearbeitung im Nachhinein schlichtweg grausam.
Aber sollte ich jetzt da nochmal anfangen… und dann müsste ich sie bei der Agentur ja auch ändern… Was solls, ich entschied mich für die Neubearbeitung. Solche peinlichen Bilder wollte ich einfach nicht in meinem Portfolio haben. Die Nachbearbeitung zog sich etwas, es kamen noch zwei, drei andere Fotos dazu, und jeden Tag änderte ich wieder etwas. Weniger grün, mehr grün. Weniger Temperatur, doch wieder etwas mehr. Heller, dunkler. Weniger Sättigung. Ach, so wenig nun auch wieder nicht. Und so weiter. Dazwischen immer wieder ein paar Tage warten, damit ich meine Fotos wieder mit „frischen“ Augen sehen konnte.
Natürlich, wenn man seine Bilder etwas liegen lässt und sie wieder anschaut, findet man immer etwas, das man verändern möchte. Aber irgendwann hatte ich den Punkt erreicht, wo ich beschloss, dass es jetzt gut war. Obwohl ich gerade bei den Wasserfall-Fotos teilweise immer noch nicht zufrieden war. Ich lud sie hoch zur Agentur und ließ die alten Fotos löschen.
Jetzt graust es mich nicht mehr, wenn ich meine Schwarzwaldfotos anschaue.
Bei meinen Lofoten-Bildern, von denen viele nachts zur Zeit der Mitternachtssonne entstanden, gefiel es mir sehr, den Tönungsregler etwas mehr nach rechts Richtung rot zu ziehen, damit der Himmel diesen leicht violetten Touch bekommt.
Also, bis jetzt gefallen sie mir noch...
P.S.: Die Fotos - die richtigen natürlich - finden Sie in der Galerie “Deutschland” unter “Schwarzwald”.